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Micha Shagrir - The Linzer Candy Boy

Documentary AUT/ISR 2019, 65 Min

Micha Shagrir (1937 - 2015) was an icon and a pillar of the Israeli Film. He was born as Michael Schwager in Austria. In 1938 his family could escape the nazi exterminiation.

Filmbeschreibung

Wenn man in Israel fragt: „Do you know Micha Shagrir?“ Überall hört man: „Oh yes, everybody in Israel knows, who Micha Shagrir is!“ Micha Shagrir war einer der wichtigsten Filmemacher, Fernseh- und Radiopioniere Israels. Er redete viel über Linz. Die Stadt spielte eine große Rolle in seinem Leben. Micha Shagrir wurde in Linz geboren. Sein Vater Karl war der letzte Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Oberösterreich vor dem „Anschluss“ an Nazideutschland. Wie viele jüdische Bürger, wird auch seine Familie, entrechtet, beraubt und aus Linz vertrieben. Seine Familie flüchtet vor dem entfesselten Nazimob. Sie können nur  knapp der Vernichtungsmaschinerie der Nazis entkommen.  Seine Familie, die sich nun Shagrir nennt, ist am Aufbau des neuen Staates Israel im Kibbuz Hefzibah beschäftigt.  

Micha erhält viele internationale Auszeichnungen, u. a. von Österreich für Verdienste um die Humanität. Ihm ist keine Kontroverse fremd. Er produzierte mehr als hundert Filme, u.a. 1976 einen Film, der den Genozid an den Armeniern thematisierte, worauf die Türkei die diplomatische Beziehung zu Israel beendete. Micha möchte in all seinen Filmen, vor allem den zukünftigen Generationen sagen, das solches Töten nicht nur dokumentiert und erforscht, sondern um jeden Preis verhindert werden muss.  
Der Dokumentarfilm MICHA SHAGRIR – THE LINZER CANDY BOY porträtiert nicht nur einen bedeutenden israelischen Filmemacher mit österreichischen Wurzeln, sondern dokumentiert auch eine (Über)Lebensgeschichte eines jüdischen Zeitzeugen aus Österreich.      
Das filmische Porträt zeigt eine klare Haltung: Österreich darf seine Verantwortung gegenüber ihren Kindern und den letzten noch lebenden Opfern nicht vernachlässigen. Der Film offenbart einen sensiblen, wachsamen und streitbaren Menschen und Künstler.
 
Statement Regie
 
Micha Shagrir (Michael Schwager) war und ist einer der wichtigsten Filmschaffenden und Medienpioniere Israels. Er hat eine ganze Generation von israelischen Filmemachern geprägt und  zahlreiche internationale Auszeichnungen erhalten. Der aus Linz stammende Filmmentor ist aber auch ein Opfer der Verfolgung der österreichischen Juden durch die Nationalsozialisten. Seiner Familie wurde alles geraubt. Freunde und Verwandte wurden in die Konzentrationslager deportiert und ermordet. Doch seiner Familie gelang im letzten Moment die Flucht vor dem Massenmord. Es ist viel Zeit vergangen, seit Micha von Linz nach Israel kam. Seine Familie brachte nichts mit als ihr Leben. Der Staat Israel existiert noch nicht. Die Geburtsstadt Linz, aus der er vertrieben wurde, sein Heimatland Österreich existiert für ihn nicht mehr. Israel ist die neue Heimat der Familie Schwager. Micha und seine Familie beteiligten sich aktiv am Aufbau des jungen Staates. Zusammen mit Aliza gründete er seine junge Familie und begann eine Karriere als erfolgreicher Filmemacher und Radiomoderator. Micha baute sich in Jerusalem und im Herzen Tel Avivs seine Filmfirma „Tapuz“ auf.
Tel Aviv ist impulsiv und vorwärts gerichtet. Micha Shagrirs Kinder und Enkelkinder repräsentieren  ein modernes, weltoffenes Israel.  Als er aus Österreich herkam, hat es das alles noch nicht gegeben, da war nur Sand und Sumpf. Er und seine Familie  haben Jahre lang auf vieles verzichten müssen und lebten in Zelten oder kargen Kibbuz Wellblechhütten. Aber seine Familie hat überlebt.
Micha suchte den Kontakt zu Österreichern auch über die Vereinigung der Pensionisten Österreichs in Israel, dessen Vorsitzender und Stimme der jüdischen Österreicher, der Wiener Shoa Überlebende Gideon Eckhaus ist. „Unter den Menschen, die uns damals schikaniert und vertrieben haben, waren viele Leute, die gebildet waren, die eine gewisse Kultur hatten. Ich verstehe das nicht“, sagt er und beklagt das Schweigen Nachkriegsösterreichs, die Ignoranz gegenüber den Überlebenden. Als im Laufe der 50er Jahre die ersten Forderungen nach Rückerstattung des geraubten Eigentums geäußert wurden stießen die jüdischen Opfer auf Österreichs behauptete These nicht Täter sondern selbst Opfer gewesen zu sein. Österreich sei schuldlos in die Verbrechen der Nazis hineingezogen worden. Micha Shagrir sorgte in seinen Filmarbeiten auch dafür dass die Menschen mit ihrer Erinnerung nicht alleine blieben. Er wünschte sich stets ¬¬einen regeren Kontakt zwischen österreichischen und israelischen Jugendlichen, wie er mit seinem Film „Bricha“ zeigte. In diesem Sinne ist mit Micha Shagrir ein wichtiger Brückenbauer verloren gegangen.  Mit ihm erhob sich eine streitbare Stimme aus Linz.

MICHA SHAGRIR, THE LINZER CANDY BOY ist nicht nur ein Porträt über einen wichtigen Filmkünstler, sondern erzählt auch von der Selbstinszenierung und Selbstreflexion jüdischer Existenz nach der Shoah.  Micha Shagrir hat immer eindimensionale Verurteilungen vermieden. Er versuchte die Verflechtung von Gestern und Heute, von Privatem und Öffentlichkeit  herauszuarbeiten. Aus der Vergangenheit Schlüsse ziehen war seine Botschaft.